Chef muss loslassen können
Mit der Betriebsübergabe geht nicht nur die Leitung eines Unternehmens in neue Hände über. Die Übergabe ist auch eine entscheidende Weichenstellung für die Zukunft. „Ziel ist nicht die Betriebsübergabe, sondern die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Betriebes“, sagte Franz Falk, Geschäftsführer bei der Handwerkskammer Region Stuttgart, bei einer Kooperationsveranstaltung der IKK classic und der Handwerkskammer mit dem Titel “Unternehmensnachfolge – gut vorbereitet?“.
„Die künftige Wettbewerbsfähigkeit hängt in sehr starkem Maß von der Qualifikation des Betriebsnachfolgers ab“, betonte Falk vor Vertretern des regionalen Handwerks und Mittelstands in den Räumen der IKK classic in Esslingen. Dabei biete die Übergabe innerhalb der Familie oder an einen Mitarbeiter die Chance, die Nachfolge langfristig zu planen, den Nachfolger frühzeitig einzubeziehen und zu qualifizieren und die Übergabe schrittweise umzusetzen.
Betriebsübergabe bedeutet mehr als eine Unterschrift
Dennoch birgt auch eine geplante und schrittweise Betriebsübergabe große Herausforderungen. „Das Leben von Gründern, Eigentümern und Familienmitgliedern in familiengeführten Betriebe ist in der Regel geprägt durch viel Arbeit, ein hohes Maß an Opferbereitschaft und „Herzblut“,“ beobachtet Ulrich Strohmaier, Diplompsychologe und Coach aus Esslingen. Die Betriebsübergabe bedeute also viel mehr als nur eine Vertragsunterschrift. Denn oft überwiege dabei die emotionale Seite, beispielsweise der Verlust des Lebensinhalts oder zumindest der Entscheidungshoheit, Unsicherheit und Ängste oder Generationenkonflikte.
Stellgrößen für eine gelungene Übergabe sind deshalb nicht nur formale Faktoren wie rechtliche Fragen, die Vertragsgestaltung und finanzielle Regelungen. Es müssen vielmehr auch die „weichen Faktoren“ berücksichtigt werden, erklärte Strohmaier. Dazu gehört nicht nur das Rollenverständnis der Beteiligten als Chef, Privatier, Rentner oder Mitarbeiter. Wichtig zu jedem Zeitpunkt des Übergabeprozesses sind eine gelungene Kommunikation zwischen den Beteiligten und eine Klärung der Schnittstellen.
Die Information der Kunden und Lieferanten ist ein ganz elementarer Schritt im Übergabeprozess, sagte Strohmaier. Der Nachfolger muss gut vorbereitet und nach innen und außen eingeführt werden.
Nicht zuletzt muss der Übergebende lernen loszulassen, Veränderungen zuzulassen und gelassen anzunehmen. „Dabei hilft es, das Vakuum nach der Übergabe zeitig mit sinnvollen Aufgaben und Betätigungen zu füllen“, betonte der Coach. Ebenso wichtig ist es, sich klarzuwerden, wie man sich verhält, wenn man weiterhin im Unternehmen mitarbeitet, Kunden auf einen zukommen und Entscheidungen erwarten. „Wie ist die innere Haltung? Besserwisserei und Einmischung oder tatkräftige Unterstützung?“ gibt Strohmaier zu bedenken.
Auch auf den Nachfolger kommen Herausforderungen zu. Um die Übernahme zu erleichtern, gibt es verschiedene Möglichkeiten, ihn frühzeitig einzubeziehen, führte Falk aus. Man kann den Nachfolger beispielsweise an Entscheidungen beteiligen, ihn also in den Entscheidungsprozesse einbeziehen, ihn dann Entscheidungen vorbereiten lassen und später ihn allein die Entscheidung treffen lassen. Oder man kann ihm die Verantwortung für einzelne Aufträge, Kunden, ein Team von Mitarbeitern übertragen oder ihm Vollmachten erteilen. Schließlich kann man ihn auch am Ertrag oder am Kapital beteiligen. „Dabei müssen jedoch alle Verträge berücksichtigt und gegebenenfalls aktualisiert werden“, gibt Falk zu bedenken. Grundsätzlich empfiehlt er, einen Zeitplan aufzustellen, wenn die Übergabe schrittweise erfolgen soll.